Vierhandmutant sucht Gehirn

Vierbeiner und Zweibeiner, und einige Arten Keinbeiner bevölkern die Erde (lassen wir jetzt mal die Wassertiere und Insekten weg, sonst nimmt die Aufzählung hier kein Ende). Tatsächlich unterscheiden wir uns nur in wenigen Punkten, einer jedoch ist fundamental: Während es in der Natur der Vierbeiner liegt, einen Huf/eine Pfote/eine Tatze NACH der anderen zu bewegen und die Evolution den Keinbeinern vorgeschlagen hat, auf Extremitäten überhaupt zu verzichten (und trotzdem in angemessenem Tempo weiter zu kommen), versuchen wir Zweibeiner ständig, der Natur ein Schnippchen zu schlagen und mutieren zu Zweibein-Vierhändern. Manchmal sogar Sechshändern, vor allem in der Vorweihnachtszeit. Dass das die einzige Koordinationsstelle im Organismus (die überwiegend, aber nicht zwingend, bei jedem Zweibeiner für den reibungslosen Ablauf der Einzelteile vorgeschrieben ist) ab und an überfordert, überrascht nicht.

Es beginnt beim kleinen Zweibeiner, der ernsthaft versucht, Zähne zu putzen UND dabei ein Lied zu singen, während die Zahnpasta munter auf den Parkett tropft, oder Mathe-Hausübung macht UND gleichzeitig Beat-boxt, während er sich abwechselnd ein Keks und einen Fruchtgummi, gefolgt von einem Salanetto in den Beat-boxenden Mund schiebt (das kann gelingen, wenn man ausreichend musikalisch ist und der Beat stimmt). Es geht über in den, der Smartphone wischend die Strasse überquert und dabei gleichzeitig einen Zug vom parfümierten Verdampfer macht, der ihm netterweise die Sicht auf die Verkehrsrealität verstellt und endet bei der, die beschließt, während des Treppe runter Laufens zu trinken. Nein, all jene, die Bilder im Kopf haben, seien beruhigt, ich soff nicht im Kloster. Es war Wasser. Gefolgt von einer schmerzhaften Bänderzerrung.

Vorweihnachtszeit und Entschleunigung gehen nicht zusammen, das ist geradezu ein Antagonismus. Aber es gibt sie, die Momente, in denen die Zweibein-Vierhandmutanten ihre überzähligen Gliedmaßen abstreifen. Dann nämlich, wenn sie bereit sind, EINE einzige Sache in vollem Bewusstsein zu machen. Bei mir ist das, wenn ich in der Werkstatt FROHLOTTE. Oder gleich nebenan, am Schreibtisch, schreibe. Oder wenn ich mit meinem Sohn am Abend lese. Und DANACH kuschle. Dann stehen die Uhren still. Ich verwandle mich. Und meine nur noch zwei Arme und zwei Hände wissen genau, was sie tun.

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Überraschungseier zu Weihnachten

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