Höhenkrank am Wellenberg

Sir Edmund Hillary und Tenzing Norgai hatten keins. Reinhold Messner wollte keins. Und Stefan Gatt, der vom Dach der Welt mit dem Snowboard surfte, benutzte keins. Aber ich, ich BRAUCHTE eins. Ein Sauerstoffgerät. In den Dolomiten.

Während ich frühmorgens Reisekaugummis einwarf, sea-sick Bänder an den Handgelenken platzierte, KEIN Koffein zu mir nahm (um der akuten Kotzattacke auf der Piste zuvorzukommen) und ausreichend mentale Vorbereitungszeit (7.15 Uhr - 10.00 Uhr) einplante … hatte meine Familie bereits fertig gefrühstückt, war vorbildlich gepflegt und stand um 8.20 Uhr fixfertig vor der Talstation der Südtiroler Bergbahn, um das Aufsperren des Liftes durch genervtes Augenrollen zu beschleunigen. Der aufmerksame Leser(in) erkennt hier eine Schieflage der innenfamiliären Interessen, eine Diskrepanz im natürlichen Habitat der Gruppenmitglieder: Während es für den großen und den kleinen Stanislaus nicht hoch genug, nicht steil genug und auch nicht eisig genug sein kann, brauche ich es flach, warm und sandig, im Idealfall mit ein paar Palmen im Bildhintergrund. Skischuh trifft auf Flip-Flop, wie konnte das passieren …

Ich musste mir ja auch ausgerechnet einen Oberösterreicher mit ausgeprägtem Hang zur gefalteten Plattentektonik angeln. In diesem Zusammenhang vermute ich, dass ich meinen Kaiserschnitt den an den Füssen meines Sohnes bereits im Mutterleib angewachsenen Skiern zu verdanken habe, die sich im Zielschuß des Geburtskanals verkantet hatten.

Da lag ich nun also auf dem Hotelbett, verzweifelt nach Luft schnappend wie sterbender Beifang, und versuchte, die paar Sauerstoffmoleküle, die auf 1.700 m Höhe hin und wieder lustig an mir vorüber schwebten, zu erhaschen. Erst war mir schwindlig, dann war mir schlecht und schließlich beides zusammen. Frustriert musste ich erkennen, dass ich einige Destinationen auf meiner Bucket List streichen werde: Macchu Picchu, ganz Peru und Ecuador, den Großglockner, das 1. Basislager im Himalaya - wobei, dort wollte ich ohnehin nicht hin. Fast in der Mitte meines Lebens angekommen (ja, ich habe vor 110 Jahre alt zu werden), muss ich akzeptieren, dass ich am besten in den warmen und/oder nassen Niederungen des Planeten funktioniere. Böse Zungen behaupten, ich würde schon am Gipfel eines Wellenberges höhenkrank, aber das ist natürlich totaler Unsinn. Ich kann auch auf von Menschenhand erbaute Höhen, wie zum Beispiel auf die Dachterrasse vom Haus des Meeres oder den Stephansdom. Beim Burj al Arab bin ich mir nicht mehr ganz so sicher.

Ich kenne mein Element. Und wenn ich jetzt noch alle Kraft zusammen nehme und zurück ins Wasser springe, könnte es sein, dass mir - wie dem Fisch auf dem FROHLOTTE-LOGO - kleine Flügel wachsen. Oder ich durchs Wasser zische wie der Pinguin in Eckhardt von Hirschhausens “Pinguin-Prinzip”: https://www.youtube.com/watch?v=Az7lJfNiSAs.

Fazit: Finde Dein Element. Und merke: Aus einem Fisch wird niemals eine Bergziege.

Manchmal wären wir gern anders. Doch das hat niemals einen Zweck.

Jeder ist auf seine Weise gut genug und auch perfekt.

(Julia Engelmann)

Zurück
Zurück

Das Schweigen der Lämmer

Weiter
Weiter

Ich muss mal …