Die (aus)gelassene Winke-Löwin, Teil 2
Mein Mann behauptet, ich sei unordentlich. Das ist natürlich unwahr. Vielmehr zeigt der Zustand unserer Wohnung eine eklatante Diskrepanz zwischen dem familiär vorhandenen Lebensraum und meinem persönlichen Frei-Raum. Es stapeln sich daher NICHT Zeitungsausschnitte und Notizen an vielfacher Stelle, es inkubieren da und dort schlicht meine kreativen Ideen. Und: ich weiß immer, wo was ist. Also meistens. Meine innere, russische Bärin zum Beispiel. Die finde ich sofort. Bei Rechnungen dauert es manchmal länger.
Meine Bärin, ich nenne sie Olga, ist leicht zu finden, denn sie kündigt sich an. Ein leises Summen steigert sich zu einem gefährlichen Brummen, sucht eine Öffnung, groß genug für eine Bärin, und findet sie zwischen den Ohren. Wenn man nun von vorne hinein schaut, kann man sie sogar sehen, die wilde, russische Petzi-Bärin. Überhören kann man sie jedenfalls nicht. Wenn sie sich nach einer Weile wieder murrend in ihre Höhle trollt, schläft sie aufgrund akuten Argumentationsmangels in der Sekunde ein. Aus diesem zutiefst biologischen Grund hat sie im nächsten Augenblick auch vergessen, was sie eigentlich so aufgeregt hat.
Im Magenta-Fall war das anders. Die Bärin zog sich zwar über die Feiertage zurück, vergaß zuvor aber nicht, ihrem Kurzzeitgedächtnis mit einer Notiz (“MAGENTA!!!”), abgelegt auf dem “Wichtig”-Stapel, auf die Sprünge zu helfen.
Was war passiert? Mitten im ärgsten Trubel der Vorweihnachtszeit, der FROHLOTTE-Bestellungen und POP-Ups, war das Handy plötzlich tot. Das heißt, es war nicht komplett tot, man nahm ihm nur den Urzweck des Gerätes: zu telefonieren. Ich hätte angeblich meine Gebühr nicht bezahlt. Beschweren konnte ich mich nicht, weil mein Magenta-Passwort kreativ abgelegt war und das Handy tot. Während sich meine Familie krumm lachte und Olga in mir Amok lief, stellte mein Mann die einzig relevante Frage nach dem Einziehungsauftrag. Ja eh, ich hatte ihn auf dem Stapel. Ja, die November-Rate auch. Auf dem anderen.
Nach den Feiertagen rufe ich also bei der Hotline an. Ich erläutere mit einer emotionalen Ich-Aussage (in zugegeben schriller Tonlage), den Grund meines Anrufes. Es meldet sich ein junger Mann mit der sanftesten Engelsstimme, die ich je gehört hatte, und mit ehrlich gespielter Empathie. Olga und ich legen den Kopf schief. Sie schweigt. Ich sage: "Sie sind aber echt gemein. Jetzt haben Sie mir meine ganze schöne Wut kaputt gemacht.”
Ich war an den heiligen Zen-Meister des Call-Center Business geraten. Er war der Top-Profi der Deeskalation, die Inkarnation der golden glänzenden Winke-Katze. Er lachte. Olga ließ sich sogar ein wenig kraulen und am Ende war klar: Ich hatte 3 Monatsraten nicht bezahlt. Papperlapapp! Bitte, ich lege ALLES ab!
… Ich finde es nur manchmal nicht … Vielleicht ist das ja aber gar keine schlechte Strategie, Dinge abzulegen. Manche eventuell für immer. Nicht unbedingt Handy-Rechnungen, aber das, was einen an sich selbst nervt. Die russische Braunbärin zum Beispiel. Stattdessen: FROHLOTTE als (aus)gelassene Winke-Löwin. Was für ein schönes Bild!
Also dann: Do svidanije, Olga, ni hao, Lin-Lin!
Aufräumen muss man erst, wenn das W-Lan Signal nicht mehr durchkommt.
(Posterspruch)