Gans im Glück
Liebe Ehemänner und -frauen da draußen! Die Geschichten aus der Reihe “Das (Ehe)Leben ist kein Ponyschlecken” sind eine Liebeserklärung an Euch und Eure skurrilen Marotten. Denn es sind die Brüche in Euren Persönlichkeiten, Eure unvorhersehbaren Handlungen und manchmal auch unverständlichen Worte, die unserem Alltags(Ehe)grau Farbe verleihen. Wir lieben Euch trotzdem oder vielleicht sogar deshalb. Und umgekehrt - hoffen wir - ist es genauso.
Prolog:
Nein, wir sind keine Vegetarier. Bertie’s Küchenmassaker an einer unschuldigen Martinigans könnte das allerdings ändern.
Gans im Glück
Lesezeit: 2 Minuten
Mein Mann ist Bundesland-Patriot und begehrt bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Fußnote, dass er - im Gegensatz zu seiner Frau - NICHT aus Wien, sondern vielmehr aus Oberösterreich stamme. Begleitet ist diese Herkunftsbezeichnung stets von einer kurzen, aber sehr effektiven Pause, und die geht so: „Wir wohnen in Purkersdorf, meine Frau ist aus Wien, aber ich ... (Pause) ... bin gebürtiger Oberösterreicher“. Als handle es sich hierbei um ein Gütesiegel, kann der auditive Zuhörer auch das dazu passende Idiom vernehmen. Ich glaube, dass mein Mann diesen Trick als pfiffigen Preframe einsetzt, um uns bessere Karten im Restaurant/im Geschäft/beim Autokauf oder beim Bauern zu verschaffen, die ja allesamt den Weana Bazi (als der ich daneben stehe) eher nicht so lieb haben.
Als gebürtiger Urfahraner (für alle, die nachfragen, kommt jetzt eine kleine autobiografische Schleife: mit fünf Jahren erst in ein Nest nahe Hörsching gezogen) ist er seinem Elternhaus sehr verbunden, das sich in einem der letzten wenigen Funklöcher Österreichs befindet, was sich auf das physische Befinden strahlungsarm, auf das psychische jedoch umso spannungsreicher auswirkt. Umgeben ist es von einer Gärtnerei im Norden, einem Prachtgarten inklusive bereits erworbenem Grabsteinengel im Osten, einer Autowerkstatt im Süden und einem Bauernhof im Westen. Der Bauernhof ist jedes Jahr vom Frühjahr bis exakt eine Woche vor dem Hl. Martin ein riesiges Gehege für Gänse, die ihre Anwesenheit mit fröhlichem Geschnattere kundtun.
Mit der abrupten Stille im November wird aus den schnatternden Flatterern saftiger Gänsebraten an Rotkraut mit Knödel. Ja, das ging jetzt schnell und mag dem einen oder der anderen LeserIn auch herzlos erscheinen, aber ich darf Ihnen versichern: Jedes einzelne Tier hatte ein wunderschönes Leben und wurde liebevoll am Hals getätschelt, bevor ihm ebendieser vom Bauern am eigenen Hof geöffnet wurde.
Wie jedes Jahr werden wir auch heuer wieder gefragt, ob wir eine Prachtgans (Bio! Aus Oberösterreich! Vom Bauern gegenüber!) haben wollen und diesmal sagt mein Mann - GANS im Glück: “Ja!” Ich gebe zu bedenken, dass unsere Kochkünste mit der Zubereitung eines Huhns erschöpft sind und wir BITTE wenn, dann nur eine halbe Gans brauchen, doch mein Mann ist begeistert, und da gibt es in der Regel kein Halten mehr.
Beim nächsten Heimatbesuch in Oberösterreich bekommen wir einen erstaunlich großen Plastiksack. Eine Gans ist eben kein Huhn und Bestellungen für halbe Gänse werden nicht entgegengenommen. Nachdem unser Kind endlich eingeschlafen ist, macht sich mein Mann freudestrahlend auf in die Küche. Und erlebt die erste Überraschung: Die Gans ist zwar gerupft, aber - ganz Gans. Also nicht wie angenommen in Teilen bereits vorbearbeitet, sondern als totes Tier eindeutig erkennbar. Verdammt - damit hatten wir feigen Supermarktjäger nicht gerechnet! Die Überraschung paart sich mit einem Mangel an geeignetem Werkzeug und einem entsprechend großen Brett, auf dem man das Tier hätte zersäbeln können.
Ich mache es mir derweil auf der Couch bequem, ich hatte es ja immer schon gesagt, und harre amüsiert dem Fortgang des Geschehens.
Der ganze Vogel liegt nun also am Küchentresen. Mein Mann greift beherzt zum Porzellanmesser (ein anderes haben wir nicht), das nicht nur stumpf, sondern allgemein völlig ungeeignet ist, der Aufgabe beizukommen, und so schlackert der Kopf der armen Gans erbärmlich hin und her, bis der Hals endlich durch und mein Mann völlig nassgeschwitzt ist. Mit der Trophäe in der Hand fragt er mich nun, was er damit machen solle und als mich sein überforderter Blick trifft, kann ich nicht mehr vor Lachen.
Weil der Anblick des so unschön geköpften Tieres tatsächlich NICHT zum Lachen ist, versenken wir sie schuldbewusst im Mistkübel, wobei ich insgeheim hoffe, dass der liebe Gott ein Einsehen mit den Unwissenden hat und wir so von dieser Sünde irgendwann reingewaschen werden.
Nun gilt es, den Brustkorb zu öffnen. Berti rammt dem Tier das Messer ins Brustbein, das selbstverständlich darin stecken bleibt. Eine Hacke wäre jetzt eine gute Idee, die haben wir aber nicht und so fuchtelt er mit der Gans am Messer geräuschvoll herum, während ich mich angesichts der skurrilen Situation vor Lachen biege. Nach einer weiteren Dreiviertelstunde sind wir alle erledigt: Mein Mann vor Anstrengung, ich vor Lachen und die Gans insgesamt. Das Schönste aber kommt - wie immer - zum Schluss: Das Gänsemassaker vor und das schlechte Gewissen in sich, brummt der Liebste mit Blick auf das Gemetzel: „Eigentlich mag ich gar keine Gans.“
Wir erwiesen ihr schließlich mit Gans-Geschnetzeltem die Ehre und reduzierten in Folge nachhaltig unseren Fleischkonsum.
Ihr habt auch so einen Berti/Lotti/Leo zu Hause? Oder seid es selbst? Schreibt mir, gerne veröffentliche ich Eure skurrile Liebeserklärung hier in FROHLOTTE’s Alltagsperlen!
karin.holzer@sternschanze.at